Samstag, 20. März 2010

Überlegungen

Der Winter ist immer so eine Sache. Es ist oft kalt und nass, die Tage enthalten mehr dunkle Stunden als helle und manch einem klappt irgendwann in den Monaten von Oktober bis März mal der Laden 'runter, um es so auszudrücken.
Es ist nicht immer einfach, sich zum Training zu motivieren, ja, selbst das Aufstehen fällt ab und an ganz schön schwer wenn man weiss, dass draussen Minusgrade, Schneematsch und eine Freikarte auf einen schönen Schnupfen die Vorherrschaft haben.
In solchen Momenten kommen gerne einmal Fragen nach dem Sinn des Lebens auf, und manchmal kann man es nicht verhindern, dass alles ein wenig zu viel wird und oben drüber schwappt. Der Vergleich mit dem Fass ist eigentlich ganz gut...
Ich denke, niemand ist wirklich vor solchen "Attacken" gefeit. Ich hatte meine letzte kurz nach meiner ersten Ankunft im Trainingslager auf Fuerteventura. Keine fünf Stunden nach der Landung gab es Abendessen, und der Speisesaal unseres Hotels war voll von... Triathleten.
Ja, das trifft es, denn es wäre mehr als unhöflich, hier gleich zu Anfang die Umschreibung zu benutzen, die mir vor kurzem ein befreundeter Biker zu diesen Sportlern, zu denen ich mich ja ebenfalls zähle, gab: verbissene Pflöcke ohne jeden Sinn für Humor.
Als ich den Sport für mich entdeckte, da war das eine völlig neue Welt voll Spass, Lebensfreude und Leidenschaft an der Sache selbst und während der letzten Jahre gelang es mir eigentlich immer ganz gut, dies auch beizubehalten. Und ich lebte in dem Glauben, dass es den meisten anderen Triathleten ähnlich ginge. Weshalb also, und das frage ich mich noch immer, betreiben die meisten ihr "Hobby" auf eine Art und Weise, bei der jeglicher Spass, jegliche Freude abhanden kommt? Wieso ist es nötig, sich lücken- und pausenlos mit Sportkleidern und Finisher-Shirts zu behängen, beim Abendessen nur über Laktat, Watt und Carbon zu reden und gleichzeitig schön die Pulsuhr im Auge zu behalten, um den Kalorienverbrauch zu berechnen?
Ich könnte das noch weiter ausführen, doch das gehört jetzt nicht hier her. Der langen Rede kurzer Sinn: nach fünf Minuten in diesem Zirkus kamen mir zum ersten Mal gehörige Zweifel, ob ich für mich die richtige berufliche Laufbahn gewählt hatte. Ich fragte mich ganz einfach: willst du zu diesem Zirkus wirklich dazugehören? Das war eine völlig neue Erfahrung für mich, denn bisher war ich mir meiner Sache eigentlich immer sehr sicher.
Diese Zustand hielt nach dem Trainingslager noch gute drei Wochen an. Drei Wochen, die gespickt waren mit einem Haufen an neuen Erfahrungen - im Sport, im Privatleben und überhaupt. Und irgendwann merkte ich, dass diese Zeit des Nachdenkens gar nicht einmal so schlecht war, denn: ich fragte mich zum ersten mal in meiner Zeit als Triathlet, warum ich denn so begeistert war von diesem Sport. Was war der Antrieb hinter allem? Wieso Profisport?
Der Frühling hält unterdessen auch hier seinen Einzug, gleichzeitig bereite ich mich auf eine zweite Reise nach Fuerteventura vor. Die Temperaturen steigen, der Sport findet wieder vermehrt draussen und mit weniger Thermoschichten statt, und irgendwann wurde mir klar: weil es für mich einfach nichts besseres gibt auf dieser Welt!
Es geht mir nicht darum, "stärker" zu sein als andere oder sie "zu besiegen". Ein gutes Rennen ist eine tolle Sache, aber meine besten Wettkämpfe hatte ich immer dann, wenn ich sie nur für mich fuhr - ohne einen Gedanken an andere Athleten um mich herum zu verschwenden. Es geht mir darum, mich zu bewegen, an der frischen Luft zu sein, mit meinem Körper zu arbeiten - und in meiner Tätigkeit als Coach natürlich mit anderen Athleten zusammen. Und deshalb steht es für mich unterdessen nicht mehr zur Debatte, ob ich auf dem rechten Weg bin oder nicht - die Frage ist nur, wie ich ihn beschreite.
Auch wenn sich hiervon einige meiner "Zunft" vielleicht etwas angerempelt fühlen - nehmt euch bitte selbst etwas weniger ernst. Es zweifelt niemand daran, dass ihr die tollsten und die härtesten seid, wenn ihr im Aerolenker auf euren Carbon-Eisbudenschüsseln durch die Gegend fetzt. Aber bitte: schaltet hin und wieder auch mal ab. Lacht einmal über etwas, das NICHTS mit Triathlon zu tun habt - ihr werdet sehen, es lohnt sich.
In diesem Sinne - gutes Training euch allen. Ich melde mich wieder "von der Insel".

Herzlichst,
Fabian