Dienstag, 4. Oktober 2011

...was ich noch sagen wollte:

Lange ist es her, seit hier etwas gepostet wurde - dessen bin ich mir bewusst und es war anders geplant. Doch mal ehrlich - in diesem Blog geht es oft und hauptsächlich um Triathlon. Schwimmen, Rad fahren und Laufen. Eine Sportart, die ich liebe und die ich zu meinem Beruf machen durfte, in mehr als einer Hinsicht. Meine Leidenschaft dafür ist ungebrochen, doch - irgendwann wird es relativ mühsam, nahezu im Wochentakt und dann nach Möglichkeit auch noch auf Unterhaltsame Art und Weise über Rennen zu berichten die entweder gut oder nicht so gut liefen.
Ich persönlich habe schon vor einiger Zeit aufgehört, mir Rennberichte anzusehen, sei dies in schriftlicher Form oder als Film. Und wenn es einem, der gerne mitten drin ist schon so geht - nun, ich habe Verständnis für jeden, den das irgendwann einmal ein wenig langweilt.
Trotzdem möchte ich diese Plattform hier weiterhin nutzen, um euch ein wenig von meiner Sicht der Dinge rund um unseren schönen Sport zu berichten.
Es ist nun Oktober, und während ich dies tippe herrschen vor dem Fenster, an dem ich sitze, bereits morgens um zehn angenehme 25 Grad - ich bin in Barcelona, einer Stadt, die niemals zu schlafen scheint und in der das Leben auf eine Art und Weise pulsiert, dass es einen sogar dann mitreisst, wenn man Beine aus Holz zu haben scheint und im Zweistundentakt mit Schwächeanfällen zu kämpfen hat.
Ja, auch meine Saison 2011 hat nun ein Ende gefunden - und was für eine Saison war das. Sie war lang und begann am 15. Mai - und sie war sehr, sehr lehrreich. Die letzte grosse Lektion durfte ich am vergangenen Sonntag einstecken - da stand nämlich mit der Challenge Barcelona eines meiner absoluten Lieblingsrennen auf dem Programm.
Nachdem ich in Copenhagen sprichwörtlich auf die Fresse gefallen war während dem Wettkampf wollte ich hier die zweite Chance nutzen, meine für dieses Jahr gesetzten Ziele zu erreichen. Und es standen alle Ampeln auf Grün. Ich hatte gut trainiert, fühlte mich sowohl körperlich als auch mental sehr fit und freute mich wie ein Schneekönig auf das Rennen. (Auch wenn das ein reichlich dämlicher Ausdruck hierfür ist - immerhin hatten wir an die dreissig Grad Celsius in Aussicht.)
Ich bin nicht gefallen, diesmal - auch hatte ich keinen Platten. Doch was ich lernen durfte war, dass eine Ernährungsstrategie, die in einem Rennen bei etwa 18 Grad Aussentemperatur und Wind gut funktioniert hatte, nicht unbedingt auch bei etwa 15 Grad mehr aufgeht... wenn dann noch starker Wind und eine knallende Sonne hinzukommen, so wird aus einem schnellen Rennen bald einmal ein langsameres, aus einem sowieso schon langen Tag ein sehr langer - und aus Selbstsicherheit ein emotionales Chaos sondergleichen.
Nach dem Schwimmen an der wunderschönen Costa de Maresme (bei Sonnenaufgang, in Kristallklarem Wasser, dieses Mal mit Strömung und daher nicht so schnell wie sonst, aber trotzdem an der Spitze der Verfolgergruppe) fühlte ich mich auf den ersten dreissig Kilometern der Radstrecke auch ganz gut - es passte einfach alles. Doch dann kam der Wind, und ich muss auch hier wieder sagen: das himmlische Kind ist erwachsen geworden. Und hat sich zu einer richtigen Schlampe entwickelt.
Der Tanz mit den Kohlenhydraten ging bereits relativ schnell los, und ich war schon auf dem Rad überrascht, wie wenig es brauchte, damit mir ansatzweise übel wurde - das Gleichgewicht zwischen zu wenig, genug und zu viel war an diesem Tag bei mir dermassen fragil, dass es zu einer echten Rechenaufgabe wurde, wie ich mich ernährte. Doch es klappte - ich konnte meine vorgenommene Leistung (nicht die Endzeit... das sind zwei Paar Schuhe) sauber fahren ohne Einbrüche und kam mit einer Kombination von Gels, Salztabletten, Wasser und Isotonischem Zeugs (ich bin noch immer nicht bereit, diesem Gesöff den Status eines "Getränks" anzuerkennen) gut über die Runden - wenn man unter gut versteht, nicht über den Lenker zu kotzen, keine Krämpfe zu haben und nicht vom Rad zu fallen. Schon der Gedanke an einen Energieriegel löste in mir akuten Brechreiz aus, und auf der letzten Radrunde, wo uns der Wind wie ein tollwütiger Fön ins Gesich hämmerte, definierte ich für mich die Bedeutung des Wortes "Magenprobleme" neu. Und ging so, nach knapp sechs Stunden Rennzeit, mit mehr oder weniger völlig leerem Magen auf eine Laufstrecke von der ich wusste, dass "Hart" nur der Vorname sein würde.
Zwei von vier Runden war es mir möglich, zu laufen - immer langsamer zwar und unfähig, auch nur ansatzweise genug Energie in Form von Gels und ähnlichem zu mir zu nehmen - doch ich lief. Dass ich meine Salztabletten bereits am ersten Verpflegungsposten verloren hatte, machte die Sache nicht gerade einfacher...
Als ich dann zum dritten mal durch den Ofen von Santa Susanna wollte, rannte ich auf einmal sprichwörtlich an die Wand. Ich konnte einfach nicht mehr - schon alleine zu gehen verlangte mir alles ab. Ich war leer, vollkommen dehydriert, jeder einzelne Muskel schien sich zu verkrampfen - mir war schlecht, schwindlig und ich wollte nur noch eins: mich hinlegen und abschalten. Von mir aus auch ganz.
Das Problem ist nur - wenn du seit über zehn Jahren fast jeden Tag mit deinem Körper beschäftigt bist, kennst du ihn recht gut (hoffentlich!) und ich wusste, würde ich anhalten, dann wäre das mein zweites Finish im Spital. Und das wollte ich nicht. Ich sagte mir zwar, dass es so keinen Sinn hatte und entschied mich, das Rennen aufzugeben - so gerne ich den Zieleinlauf auch habe, die Gesundheit geht vor.
Trotzdem bin ich noch immer ein Mensch, der gerne selbst die Verantwortung übernimmt, auch wenn er sich komplett in den Matsch (um es deutlicher zu machen: in die Scheisse) geritten hat. Also sagte ich mir, dass ich diese dritte Runde beenden, mir im Ziel eine Infusion geben lassen und dann das Ganze vergessen würde, um im nächsten Jahr wieder zu kommen.
So weit, so gut - nur hatte ich nun noch einmal die Hölle von Santa Susanna vor mir, wo von den angesagten 28 Grad keine Rede war - 35 trifft es eher. Das war der Punkt, an dem ich zum ersten mal losheulte wie ei kleines Kind - was für ein unendlich ekliges Gefühl, sich so hilflos zu fühlen. Und doch gab es nichts zu tun, ausser einen Fuss vor den Anderen zu setzen, bis der Wendepunkt und somit der nächste Verpflegungsposten da war.
Wohl wissend was mich auf den nächsten Kilometern erwarten würde hielt ich dort an und schüttete gut zwei Liter Cola in mich hinein, plus einen halben Liter Wasser. Dann liess ich mir einen weiteren Liter Wasser in Flaschen geben - und humpelte los. Ich liess mir Zeit - das Rennen war für mich zu Ende, ich war auf dem Heimweg. Und da ich wusste, dass ich wirklich nahe am Kollaps war, trank ich beide Flaschen leer und versuchte, das Beste aus meinem langen Spaziergang an der Küste entlang zu machen.
Und irgendwie war das wohl genau das, was es brauchte - eine kurze Pause, um wieder zu tanken. Denn als ich das nächste Mal an den Hotelburgen in Pineda de Mar vorbeikam, fand ich mich zum einen in guter Stimmung und zum anderen auf einmal gar nicht mehr so kaputt. Der nächste Verpflegungsposten kam und mit ihm abermals ein guter Liter Cola, ein weiterer Liter Wasser... und auf einmal rannte Fabian wieder. Nicht schnell - normalerweise bin ich bei einem regenerativen Lauf auf nüchternen Magen am Sonntag Morgen schneller und dynamischer unterwegs, aber immerhin. Und als dann der letzte Wendepunkt auf mich zukam... nun, da fühlte ich mich bereits wieder gut genug um mir zu sagen: ich finishe. Nicht um jeden Preis - doch ich fühlte, dass ich es tun könnte. Und da war er wieder - der Speed. Alleine die Aussicht auf ein Finish beflügelte mich mehr, als es alle eingeübten Motivationsfloskeln jemals konnten. Als ich dann auch noch zu meiner Athletin Marie-Louise aufschloss, die mich etwa acht Kilometer zuvor überholt hatte und sie mir sagte, dass sie Urs, einen weiteren meiner Schützlinge, mit einem Verband am Arm am Strand stehen gesehen hatte, da wusste ich: ich habe mehr als nur einen Grund, dieses Rennen zu beenden. Der Wind und die Sorge um Urs wehten mich nach Santa Susanna, das Wissen darum, dass es nur noch fünf Kilometer bis ins Ziel sein würden trug mich zurück - und dann war sie da. Die Finishline. Als ich die 42-Kilometer-Marke passierte nahm ich das Tempo zurück und begann, mit den Leuten am Rand abzuklatschen - jedes einzelne High-Five kam von Herzen.
Nach 10:19 Stunden stand ich auf der Zielgeraden und es gab nur noch eines zu tun: ich drehte mich um und verneigte mich tief vor dieser Strecke, vor dem ganzen Rennen und vor jedem einzelnen Athleten, der an diesem Tag hier unterwegs war. Und dann... war ich zuhause.

Das emotionale Chaos wird sich irgendwann legen und auch der Körper erholt sich irgendwann wieder. Was bleibt sind Erinnerungen, die ich mit mir tragen und die mir helfen werden, wenn ich im nächsten Jahr wieder komme - denn das werde ich!

Sabrina, Jenny, Emilie, Florian und Ivo: bei euch möchte ich mich von ganzem Herzen für euren Support während diesen langen, harten Stunden bedanken. Auch wenn ich mit Scheuklappen über die Radstrecke bretterte - alleine das Wissen, dass ihr da wart, gab mir Kraft. Hätte ich nicht gewusst, dass ihr im Ziel auf mich wartet - ich wäre nicht dort angekommen.

Urs: Es tut mir unendlich leid, dass deine zweite Langdistanz durch einen Sturz vorzeitig beendet wurde. Du hast lange und sehr hart dafür gearbeitet und die Sorge um dich verleihte mir auf den letzten Kilometern Flügel - gleichzeitig bin ich froh, dass du mit einem blauen Auge davon gekommen bist und freue mich bereits auf das nächste Jahr.

Roland: Dir gratuliere ich herzlich zu deinem ersten Finish einer Langdistanz - du bist in mehr als einer Hinsicht über dich selbst hinaus gewachsen und ich freue mich auf die Wege, die wir noch gemeinsam beschreiten werden.

Marie-Louise: You are by far the coolest, craziest Scottish Yak I know and I am very thankful to have a friend like you in my life. You inspire me in everything I do and your energy, your joy of life and your spirit are unique. Congratulations for finishing your second long distance race in Barcelona!

Olivier: für die Vorbereitung und den Support danke ich dir von ganzem Herzen. Du bist mein grosses Vorbild und der beste Coach und Freund, den man sich wünschen kann - ich freue mich auf alles, was noch auf uns zu kommt.

Reto: ich durfte dieses Jahr einmal mehr sehr viel von dir lernen und freue mich auf unsere gemeinsame Arbeit in der nächsten Saison! Mit Leuten wie dir und dem restlichen OBC-Team arbeiten zu dürfen, ist ein wahres Geschenk!

Und natürlich bedanke ich mich bei meiner Familie, die mir hier unten sehr gefehlt hat und bei all meinen Freunden, die an mich gedacht und mich unterstützt haben. Euch hier einzeln aufzuzählen würde diesen Blog zum Roman machen, doch die, die ich meine, wissen dies. Ich freue mich auf das nächste Jahr.

Herzlichst,
Fabian