Mittwoch, 18. August 2010

Ein kleiner Bericht

Es passiert immer wieder, dass Dinge, die man sich im Voraus schön, toll und farbenprächtig ausgemalt hatte, ganz schrecklich schief gehen. Die Challenge Copenhagen war für mich so ein Ding. Nun, drei Tage nach diesem Erlebnis, frage ich mich noch immer, was genau wo schief gegangen ist, was denn überhaupt passiert ist - aber ich greife vor.
Gute neun Monate nahm ich mir in diesem Jahr Zeit, um mich für meinen Saisonhöhepunkt vorzubereiten. Lange Einheiten im Pool im Winter, viele Stunden im Kraftraum, Lange Ausdauertrainings bei jedem Wetter für Laufen und Rad fahren... die Liste ist lang. Meine Form nahm in den letzten Wochen kontinuierlich zu, die einzelnen Rennen, die ich als Vorbereitung für den grossen "Tag-X" bestritt, gingen immer besser und gipfelten in einem Start-Ziel-Sieg an der Short-Distance in Zürich, also einer Form von Triathlon, die mir an sich überhaupt nicht liegt. Copenhagen konnte kommen.
Die Bedingungen rund um das Rennen waren zweierlei: fantastisch und katastrophal. Fantastisch die Organisation, die Helfer, die Stimmung rund um den Event - noch nie habe ich so etwas erlebt! Katastrophal das Wetter am Tag vor dem Rennen - Regen und Wind, wie man sie in Kopenhagen seit 35 Jahren nicht mehr hatte. Oder seit fünfzig - die Medien waren sich nicht einig. Die Wechselzone in Trümmern und teilweise bis zu einem halben Meter überflutet, hatte das Team alle Hände voll zu tun, alles wieder in Ordnung zu bringen, bevor an die 1700 nervöse Athleten am Sonntag Morgen ihr Equipment bereitmachen würden. All dies klappte bestens.
Dann der Schwimmstart. Das Wasser am Amager Strand war still wie ein Dorfteich, etwas Wind wehte von Norden - ich stürzte mich ins Wasser und fühlte mich beim Umrunden der ersten Boje bereits ziemlich einsam. Nach etwa einem Kilometer fanden wir uns in einer Dreiergruppe an der Spitze - ich kann noch immer nicht beschreiben, wie sensationell sich das anfühlte. Sprichwörtlich Jahrelang hatte ich auf diesen Moment gewartet: ein Langdistanz-Rennen, der Startschuss, die Schwimmstrecke - ganz vorne dabei sein!
War mir bei meinen bisherigen Langstrecken-Triathlons beim Ausstieg aus dem Wasser stets ein wenig schwummrig zumute, so war an diesem Sonntag davon keine Spur - ich konnte von Anfang an losdrücken, als gäbe es kein Morgen. Ein schneller Sprint durch die Wechselzone, Brille auf, Helm dazu und ab aufs Rad. Bis dahin war alles in Ordnung...
Ich hatte keine hundert Meter auf dem Rad zurückgelegt, ja, noch nicht einmal beide Schuhe geschlossen, da merkte ich, dass sich mein Vorderrad ungewöhnlich weich anfühlte. Von den zuvor hineingepumpten zwölf Bar keine Spur mehr - und hier am Streckenbeginn keinerlei Gelegenheit dem beizukommen! Der Schreck ging tief, und noch während ich über die erste Brücke am Amager Strand bretterte, entschloss ich mich, wenn möglich zur ersten Aid Station bei Kilometer dreissig zu fahren, dort den Vorderreifen zu flicken und weiter zu ziehen.
Also galt es erst einmal, den eigenen Rhythmus zu finden, etwas zu essen und dann das Tempo zu erhöhen. Ich hatte meinen PowerBar-Riegel noch nicht zur Hälfte weg, als es unter mir zischte - das Vorderrad!, war natürlich mein erster Gedanke. Doch das sollte nicht sein - es war mein Hinterreifen, welcher mir da nach nicht einmal zwei Kilometern der Radstrecke einfach platzte. Keine hundert Meter weiter stand ein Race Marshal, bei dem ich anhielt. Das Vorderrad war unterdessen auch merklich weicher geworden - zwei Plattfüsse würde ich nicht flicken können. Was also tun? Auf Carbonfelgen im Wert von über viertausend Franken über schlechte Strassen zur nächsten Aid Station rollen? Noch während ich mir selbst gegenüber versuchte, alles zu leugnen, wurde mir klar: das Rennen war für mich zu Ende, bevor es überhaupt begonnen hatte.
Was war passiert? Meine Reifen waren am Morgen in Ordnung. Vielleicht hatte das nächtliche Unwetter dermassen viel scharfkantigen Sand und Muschelscherben durch die Wechselzone und auf die Strassen gespült, dass mir dies den Todesstoss versetzte - ich kann es mir nicht anders erklären.
Für mich heisst es nun: nach vorne sehen, weiter machen und hoffentlich irgendwann einmal den Sinn hinter all dem verstehen.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei all jenen Bedanken, die an diesem tag an mich gedacht und die mir geholfen haben. Hier im Internet mit Namen um mich zu werfen verkneife ich mir - diejenigen, die es betrifft, wissen dies. Danke, dass ihr in diesen bitteren Stunden für mich da wart.
Herzlichst,
Fabian