Sonntag, 22. November 2009

Meine Erkenntnis

Früher betrachtete ich mich gerne als Hobby-Philosoph. Grässlich, ich weiss, und zwar aus zweierlei Gründen: zum einen ist es schlimm, mit 23 Jahren bereits von "früher" zu reden, zum anderen ist Philosophie in ihrer heutzutage studierten Form wohl oft nur ein Mittel zum Zweck, um richtige Arbeit zu vermeiden.
Fragen wie: Was ist der Sinn des Lebens?, oder: Warum sind wir hier?, stellt sich jeder Teenager in seiner ersten Depri-Phase zu genüge - die Vorstellung, dass jemand einen ganzen Studiengang belegt, um sich fortan unter Diplom mit solchen Dingen zu beschäftigen, kommt mir immer grotesker vor.
Wie dem auch sei - ich hatte grossen Spass daran, mich mit diversen Leuten wie Kant, Hegel, Platon und wie sie alle heissen zu befassen. Das kann ganz unterhaltsam sein, vor allem dann, wenn man sich von den Doktrinen der diversen Deutschlehrer lossagt und seine eigenen Interpretationen dieser Schriften ins Gespräch bringt.
Nietzsche's Nihilismus? Was hat das mit Intellekt zu tun, wenn man wütend auf alles und stets vom Schlechtesten überzeugt ist? Platon's Höhlengleichnis? Vielleicht war er ja auch einfach nur besoffen, wie er auf diese Ideen kam... Philosophie kann sehr lustig sein.
Vor ein paar Tagen habe ich mich nun gefragt, was es bedeutet, zu "kennen". Das implementiert ja eine gewisse Form von Wissen - und Wissen ist immer relativ, wenn man Sokrates und seinen Jüngern glauben darf. Ich weiss, dass ich nichts weiss... (und weiss damit schon mehr als der, der nicht weiss, dass er nichts weiss... Kein Bier mehr für Tisch drei, wäre mein Vorschlag).

Was ich damit sagen will: ich lebe nun seit über 15 Jahren am Rand des schönen Ortes Aadorf, und seit neun Jahren trainiere ich hier in der Gegend. Ganz stolz habe ich bereits mehr als einmal diverse Karten angesehen (auch grosse) und mir meine Routen von Fahrrad und Laufen eingezeichnet - es ist wahrhaft erstaunlich, wie weit man an einem Tag mit zwei 28-Zoll-Reifen unter sich kommen kann! Mein Einzugsgebiet an Eintagestouren reicht unterdessen von Glarus über den Bodensee bis hin zum Schwarzwald. Beim Laufen sieht es ähnlich aus, auch da bin ich schon herum gekommen.

Nun habe ich ein neues Hobby für mich entdeckt, welches sich zum Glück mit einem schönen Nebeneffekt präsentiert, der da höchst intensives Training wäre: das Mountainbike.
Ihren Anfang nahm diese Manie im vergangenen September, wo ich auf einmal einen derben Strassenkoller erlitt - wenn ich nur mein Rennrad ansah und mir die weisse Linie rechts, die wütenden Autofahrer links vorstellte, wollte ich durchdrehen. Da ich aber noch Wettkämpfe vor mir hatte (die dann auch gut liefen!), handelte ich und grub mein altes Mountainbike wieder aus. Dieser Begriff passt ganz gut, stand diese Mühle doch gut vier Jahre hinter einem Schuppen und war alles andere als Funktionstüchtig. Ein paar Arbeitsstunden später hatte ich wieder ein ziemlich aggressives Gefährt zur Verfügung und legte los.
Die Tempi, die man mit einem Bike fahren kann, unterscheiden sich enorm von denen auf einem Rennrad - was dazu führt, dass die Touren rein an Kilometern natürlich kürzer wurden. Dafür entdeckte ich, dass ich mit diesem Bike noch weniger als mit den Laufschuhen an irgendwelche Wege gebunden war. Nicht lange, und das "Trail-Tracking" wurde eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Ein fast zugewachsener Wildpfad, ein halb versteckter Wanderweg, ja, sogar einfach querfeldein - ich entdeckte plötzlich überall neue Möglichkeiten um zu fahren, zu trainieren und einfach Spass zu haben. Auch wenn ich mich manchmal dermassen auskotzte, dass ich nach zwei Stunden auf dem Bike kaum noch stehen konnte - ich war danach jedes Mal äusserst zufrieden. Und ich stellte fest: die Gegend, in der ich seit über 15 Jahren lebe, ist mir völlig fremd! Ich hatte und habe noch immer keine Ahnung, was für geniale Trails und Wege sich hier direkt vor meiner Haustür befinden - und vor allem entdecke ich immer wieder kleine, fast schon als "Schätze" zu bezeichnende Fleckchen Erde, die ich vorher und in dieser Form noch nie gesehen hatte. Gerade jetzt im Herbst ist das eine wunderbare Sache.

Ich glaube, etwas wirklich zu "kennen" ist nur theoretisch möglich. Aber "kennen lernen" - das kann etwas tolles sein, egal, um was es geht.

"Ach, es ist zu kalt, warum kann es nicht schon Frühling sein, ich will ins Trainingslager, Rollentraining ist sooo langweilig..." - solche Sätze werden noch früh genug kommen, auch bei mir. Geniesst den Herbst, es lohnt sich!

Herzlichst,

Fabian

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